Verurteilt wurden unsere Genossen zusammen zu insgesamt 96 Sozialstunden, Gesprächsweisungen und ca. 500€ Geldstrafe!
Der Prozess wurde von einer großen Anzahl solidarischer Genoss*innen begleitet und war dadurch vollbesetzt. Von Beginn an war die Polizei im Gericht präsent. Nach der Prozesserklärung brüllte und drohte der Richter die Prozessbegleitung an, nachdem sie applaudierte. Als der Prozess vorbei war und wir kollektiv den Gerichtssaal verlassen wollten, zerrten die Cops zwei Genoss*innen zur Seite um Personalien festzustellen, da ihnen Straftaten bei vergangenen Protesten gegen AfD-Stände vorgeworfen werden. Den anwesenden Anwälten wurde es nicht gestattet zur Personalienkontrolle dazu gezogen zu werden, erst nach Protest durften diese dazu kommen. Auch allen weiteren anwesenden Genoss*innen wurde es untersagt das Gericht zum Zeitpunkt der Personalienkontrolle zu verlassen.
Aufgrund einer Gedenkreihe zum 8. März wurden beide Genossen vor zwei Jahren nach einer Kundgebung unter Gewaltanwendung verhaftet und deren Wohnungen durchsucht.
Als sich vergangenes Jahr wieder Rüstungskonzerne und imperialistische Staatenlenker zur Müchner Sicherheitskonferenz trafen, beteiligten wir uns vor dem Hintergrund des aufflammenden Ukraine-Konfliktes an den antikapitalistischen Protesten gegen Krieg und Militarisierung. Schon während dieser Demonstration fiel das USK mit einem absolut ziel- und rücksichtslosem Gewaltexzess auf, bei dem friedliche Demonstranten wahllos verhaftet und verprügelt wurden.
Selbstverständlich setzte der Bullenstaat diese Eskalationsstrategie bei der abendlichen Gedenkdemonstration für die Opfer des Anschlags von Hanau, bei der 1500 Menschen teilnahmen, unverändert fort. Bei einer vorher bekannten Engstelle prügelten die Bullen ohne Vorwarnung auf die Demo ein und pfefferten die vorderen Reihen ziellos. Im Nachgang wurde unser Genosse erneut durch brachialen Gewalteinsatz in der U-Bahn verhaftet, weil ihm vorgeworfen wurde versucht zu haben einen Bullen mit einer Fahne zu verletzten (Siehe Video).
Als Antifaschist*innen erwarten wir nichts anderes von diesem Staat. Wir machen weiter, denn unser Kampf ist notwendig! Kampf ihrer Klassenjustiz!
Prozesserklärung von einem der verurteilten Genossen
Weil der Mensch ein Mensch ist, wird er stets nach einem Leben streben, in denen er ohne Existenzängste, Armut und Ausbeutung leben kann. So einem Leben steht der Klassenantagonismus im Weg, der seit Jahrtausenden dem Großteil der Menschheit kein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Solange dieser Antagonismus nicht zugunsten der unterdrückten Klassen aufgelöst wird, wird dieses Streben auch fortbestehen.
In Zeiten wirtschaftlicher Krisen, die der profitgierigen Funktionsweise des Kapitalismus inneliegen spitzen sich auch die gesellschaftlichen Widersprüche zu. Die Reaktion der herrschenden Klasse ist dem gegenüber schon immer Repression und Unterdrückung revolutionärer Kräfte gewesen. In diesen Kontext möchte ich diesen Prozess stellen. Und in diesen Kontext möchte ich auch die zunehmende Repression gegen Linke setzen. Beispielhaft für diese Entwicklung sind die Verfahren bzw. Strafen gegen die antifaschistische Bewegung, gegen den Roten Aufbau oder auch gegen die kurdische und türkische Linke. Und in einem besonderen Ausmaß ist auch die linke Bewegung in Augsburg betroffen, die über verschiedene Wege mit Repressalien überzogen wird. Höhepunkte dieser Repression sind sicherlich die illegale Razzia gegen das Offene Antifaschistische Treffen im Frühjahr und die Arreststrafe gegen meine Genossin, die ich an dieser Stelle mit sehr viel Liebe und Respekt grüßen möchte.
Es wurden heute einige Vorwürfe gesammelt gegen mich öffentlich in den Raum gestellt. Auf diese vielschichtigen Themen möchte ich im Folgenden eingehen:
1. Eine Bezugnahme auf die Hamas und ihr Liedgut ist für linke Kräfte nicht möglich. Ihre Positionen kann ich mir nicht zu eigen machen. Trotz der Legitimität des Kampfes gegen den israelischen Staat, ist die Hamas mit ihrem patriarchalen und islamistischem Weltbild nicht auf unserer Seite. Hinzu kommt, dass ihre Mittel im Kampf ebenso abzulehnen sind. Denn wie der israelische Staat, begehen auch sie bewusst Verbrechen an der Zivilbevölkerung jenseits der Grenze und unterdrücken ihr eigenes Volk im Gazastreifen.
Morde und andere Verbrechen an der Zivilbevölkerung sind kein Mittel revolutionärer Kriegsführung und sind abzulehnen. Wie Che Guevara der Nachwelt weitergab müssen wir fähig sein, jede Ungerechtigkeit gegen jeden Menschen an jedem Ort der Welt im Innersten zu fühlen. Neben diesem moralischen Kompass kommt dazu, dass dadurch der Klassencharakter dieses Konfliktes verwischt wird. Aus unterdrückte Bevölkerung gegen Besatzerstaat wird „Volk gegen Volk“, „Religion gegen Religion“.
Dennoch möchte ich mich nicht von der Differenz gegenüber der Deutsch-Israelischen Gesellschaft distanzieren. Bei der DIG handelt es sich um eine Lobbyorganisation, die hierzulande versucht die israelische Besatzungspolitik und damit einhergehende Kriegsverbrechen, die von vielen Menschenrechtsorganisationen dokumentiert und so benannt wurden zu legitimieren und die politische Unterstützung dafür aufrechtzuerhalten. Wie der deutsche Staat und die Bundesregierung, machen sich auch diese Lobbyisten mitschuldig an den Verbrechen des israelischen Staates. Selbstverständlich werden sie aber nicht vor Gericht landen. Denn es geht eben um Staatsräson.
2. Der 19. Februar 2022 war ein Tag des Protests. Einerseits traf sich wie jedes Jahr die oberste Riege aus Rüstungsindustrie, Außenminister:innen und Militär zur Münchner Sicherheitskonferenz. Außerdem jährte sich an dem Tag der neunfache rassistische Mord in Hanau zum zweiten Mal. Zwei Daten, die angesichts der sich noch damals zuspitzenden Kriegsrhetorik zwischen der NATO und Russland, und dem ständig präsenten Terror von rechts von zentraler Bedeutung waren.
Die Demonstration zum Gedenktag von Hanau wurde schon vor Beginn durch ein riesiges Polizeiaufgebot und rassistische Polizeikontrollen kriminalisiert. Der Demozug wurde mehrfach angegriffen, konnte sich aber kollektiv wehren und die Demo zu Ende laufen. Das für rechtsradikale Umtriebe bekannte USK der bayrischen Polizei, griff die Demonstration mehrfach an. Polizeigewalt gegen linke und vor allem migrantische Demonstrationen hat System. Nicht nur wird hierbei mögliche odere reale Aufstandsbekämpfung praktiziert, hinzu kommt, dass eben eine Vielzahl rassistisch motivierter Männer Gewaltfantasien gegen Menschen ausleben können, die ihren Feindbildern entsprechen.
Auch vier Jahre nach dem neunfachen rassistischen Mord in Hanau werden Hinterbliebene der Opfer von Behörden z.B. durch Gefährderansprachen drangsaliert. Wie schon beim NSU, oder den rechten Anschlägen in Halle oder München wird versucht, durch die These des psychisch-kranken Einzeltäters die Taten zu entpolitisieren. Wie so häufig wird durch „Ermittlungspannen“ die Aufarbeitung verhindert.
Wie die rassistische Staatspolitik, hat auch Rassismus in der Polizei eine Systematik. Rassistische Polizeikontrollen und Abschiebungen sind Alltag. Seit 1990 sind mindestens 181 Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe in deutschem Polizeigewahrsam gestorben, ohne dass es Konsequenzen für die meisten Verantwortlichen gab. Rechte Gruppierungen innerhalb der Polizei und anderer Behörden sind keine Seltenheit. Durch Polizeibeamte vorbereitete Todeslisten mit den Namen ihrer politischen Gegner und vieles mehr. Diese Liste könnte noch lange fortgeführt werden, und das ganz ohne die Bekanntheit der Dunkelziffer des rassistischen Alltags in Deutschland. Ein hierzu relevanter Punkt ist jedoch noch, dass die Ermordeten in Hanau nicht durch den Notausgang fliehen konnten, weil die Polizei seine Sperrung für rassistisch-motivierte Razzien anordnen ließ. Hinzu kommt, dass trotz mehrerer unabhängiger Gutachten, und den Untersuchungen des Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag die Staatsanwaltschaft bisher alle Ermittlungen gegen die Polizei eingestellt hat und weitere verhindert.
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass im Kampf gegen rechten Terror und Rassismus kein Verlass auf die Polizei und diesen Staat ist.
3. Zur dritten Klage stellen sich für mich zwei Fragen. Erstens: Wieso erinnern Linke heute an Ulrike Meinhof und Leila Khaled. Zweitens: Wieso wird das Gedenken an revolutionäre Persönlichkeiten mithilfe von Hausdurchsuchungen und Verfahren kriminalisiert?
Die Geschichtsschreibung ist kein neutrales, sondern umkämpftes Gebiet. Damit die Deutungshochheit in diesem Feld nicht Schreiberlingen von Axel-Springer oder bürgerlichen Politiker*innen überlassen wird, müssen wir uns einen eigenen Zugang zur Geschichte verschaffen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist für die revolutionäre Linke also unumgänglich. Einerseits ermöglicht eine Beschäftigung, das Lernen aus den Fehlern und den Errungenschaften der Kämpfenden vor uns. Andererseits macht es uns deutlich, dass es sich um einen internationalen und epochenübergreifenden Kampf handelt. Dadurch wird aufgezeigt, dass es sich eben nicht um eine lokale Szene oder eine Jugendgruppe handelt.
Nur dadurch wird es möglich, eine Traditionslinie im Kampf zu ziehen, eine Kontinuität aufrechtzuerhalten, die von Prometheus zu Spartakus, von den Gesellen Thomas Müntzers zu den Arbeiter*innen der Pariser Kommune reicht. Und eben heute von den Bergen Kurdistans in die Gossen von Gaza, von den Vierteln Augsburgs auf die Inseln der Philippinen. Von den Straßen in die Betriebe.
Zur zweiten Frage, weshalb das Erinnern an Revolutionär*innen kriminalisiert wird.
Ohne große Einleitung lässt sich hier sagen: Das Gedenken an Ulrike Meinhof wird nicht etwa kriminalisiert, weil sie Straftaten begangen hat oder eine gewissenlose Mörderin wäre. Hierbei geht es nicht um moralische Kriterien, sondern um Klasseninteressen.
Dass es nicht um Gewalttaten und das Töten geht, sieht man daran, dass in der BRD noch kein Mitglied einer Regierung für die Beteiligung und Unterstützung von Kriegsverbrechen verurteilt, geschweige denn angeklagt worden wäre. Mit Vietnam, Jugoslawien, Afghanistan, Nicaragua, Kurdistan, Palästina, Jemen und unzähligen anderen Ländern und Regionen, hätte man genug Fälle in denen der Imperialismus entweder direkt durch deutsche Hand oder mindestens doch mit deutscher Unterstützung Blut vergossen hat. Genauso wenig wie die Mörder von Benno Ohnesorg, Thomas Weisbecker, Oury Jalloh und den unzähligen anderen Opfern von Polizeimorden, bei denen es entweder zu gar keinen oder lächerlichen Strafen kam. Am Ende entscheidet also gar nicht die Tat selbst, sondern in welchem Klasseninteresse sie durchgeführt wird.
Auch wenn wir einiges anders sehen und andere Ansätze verfolgen, sind Ulrike Meinhof und Leila Khaled genauso wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Ivana Hoffmann, Angela Davis und Comandanta Ramona allesamt Persönlichkeiten die ihr Leben dem Kampf für eine befreite Gesellschaft gewidmet haben. Sie alle haben sich innerhalb verschiedener revolutionärer Kämpfe eingereiht um den revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus zu organisieren und die Befreiung der Frau zu erkämpfen. Dabei stehen sie beispielhaft für Unzählige Frauen und Genossinnen die ihr Leben lang gekämpft haben.
In besonderer Erinnerung an die Genossin Inge Viett möchte ich mit einem Zitat von Bertolt Brecht abschließen:
„Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich.“